SATELLITE (NORTH), Barbara Buchmeier, 2009

Der Schweizer Künstler Emanuel Geisser (* 1974 in St. Gallen), der in Genf und Hamburg studiert hat und seit 2005 in Berlin lebt, thematisiert in seinen Rauminstallation, Filmen und Collagen sein Interesse an der mysthischen, vom Menschen nicht kontrollierbaren Welt der Berge. Besonders interessieren ihn dabei Phänomene wie Licht und Schatten oder auch die Gebirgstiere mit ihrer großen Feinfühligkeit für kommende Gefahren.

Im Zentrum von Emanuel Geissers Ausstellung   im Cluster-Ausstellungsraum steht eine begehbare Rauminstallation, eine Versuchsanordnung oder auch eine Laborsituation, in der der Künstler mit Licht (Videoprojektion) und der optischen Wirkung von Spiegeln arbeitet.

Mit einem Projektor wird im verdunkelten Raum fortlaufend eine kurze Filmsequenz auf die Wand projiziert. Zu sehen ist eine raue, verlassene Gebirgslandschaft, in der durch Wind Schnee aufgewirbelt wird. Diese Filmmaterial, das wie veraltet wirkt, könnte von einer lange vergangenen Expedition stammen. Der als aufgegeben, verloren oder absent dargestellte Ort erscheint wie ein Schauplatz, wie ein genius loci, der möglicherweise das Ziel einer früheren Forschungsreise war.

In diese Bildprojektion hinein, zwischen Projektor und Wand, hat Geisser einen zweiseitigen, runden Spiegel gehängt, der sich in gleichmäßigem Rhythmus um sich selbst dreht. Dieser wirft seinen dunklen Schatten auf das projizierte Bild und projiziert gleichzeitig den verdeckten Ausschnitt aus dem Bild in runden Bahnen über die Wände des Raums.

Dieser optische Effekt vermittelt ähnlicher einer Forschungsapparatur, einem alternativen Weltmodell oder einer uns nicht bekannten Gleichung, Unruhe und Desorientierung im Raum - da ist ein Loch im Berg, ein Loch im Bild - ist da eine verdeckte, unscheinbare Information? - geht es um das Wahren eines Geheimnisses? Der sich drehende Ausschnitt ist immer in Bewegung und so nur schwer zu durchschauen.

Emanuel Geisser thematisiert hier die Vielfalt des Lichts: es zeigt sich durch den Raum und erhellt ihn zugleich. Darüber hinaus dient es als Medium, andere Räume zu erzeugen, Raum zu sein. Es ist das Projizierte und die Projektion, das Gezeigte und das Zeigende. Geisser nutzt das Licht als Werkzeug, als messbares, physikalisches Phänomen, das gespiegelt, gebeugt, gespaltet, umgelenkt, das heißt manipuliert und inszeniert wird. Es geht ihm um die Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung des Betrachters und gleichzeitig und den Zusammenhang zwischen Aisthesis und Erkenntnis beziehungsweise um den Einfluß der sinnlichen Erfahrung auf die subjektiven Vorstellungen von Welt.

Dabei bleibt er jedoch, wie bereits oben angedeutet, nicht komplett abstrakt: im Motiv und im Ausstellungstitel bezieht er sich auf einen Ort in einem Gebirge, die Suche nach einem Weg, auf die radarähnliche Bewegung des rotierenden Spiegels, er gibt eine Himmelsrichtung vor, eine Lokalisierung, auch wenn er den Begriff spiegelverkehrt schreibt und somit seine geografische Bedeutung auszuhebeln versucht.

Die Schreibweise erinnert zugleich an kyrillische Buchstaben, das wäre dann übersetzt so etwas wie NTJAO – vielleicht hieß ja eine vergangene Expedition einmal ähnlich. Gleichzeitig werden im Titel auch Assoziationen an die Sowjetunion, Tarkovski und seinen „Stalker“, die „Zone“, oder einen Ort, an dem Träume wahr werden, geweckt.

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